National Day in Gibraltar

Heute musste ich aus dem Hostel in La Linea auschecken. Geplant war nach Tarifa zu fahren, etwa 40 Kilometer entfernt. Von dort geht dann eine Fähre nach Tanger in Marokko. Doch zuerst musste ich nochmal nach Gibraltar um ein paar Postkarten loszuschicken. Ich wollt eigentlich mit dem Roller reinfahren um etwas Zeit zu sparen. Einziges Problem: Der Roller machte wieder mal Zicken. Nach 5 maligem Treten ist er immer noch nicht angesprungen, was äußerst ungewöhnlich ist. Normalerweise springt er beim ersten oder zweiten mal an, geht dann nach ein paar Sekunden wieder aus und lässt sich dann beim nächsten Antreten starten und läuft dann durch. Diesmal nicht. Stattdessen ist mir der Kickerhebel auf der Welle immer wieder durchgerutscht, der ist schon extrem abgenutzt, da müsste wirklich bald ein neuer her. Also musste ich, natürlich alles mitten auf einer Marktstraße, immer wieder den Kicker neu anschrauben, damit er an der Welle greift. Aufgrund der fortgeschrittenen Abnutzung hielt das aber immer nur für 3 Startversuche. Und ich brauchte deutlich mehr. Nächstes Problem: Die Feder die die Welle mit dem Kickhebel nach jedem Treten wieder in ihre Ausgangsstellung zurück bringt sprang nach etwa jedem fünften Treten raus. Ein Klassiker mit dem ich ja nun schon seit Wochen zu kämpfen hab, aber inzwischen, durch ausreichende Übung, recht flott beheben kann. Muss nur den Kasten in dem der Keilriemen verläuft aufschrauben, Feder neu spannen und das ganze wieder zuschrauben. Ich wusste im Prinzip auch warum das immer wieder passiert und wie ich dieses Problem ein für alle mal beheben könnte, nur fehlte mir mehr oder weniger passendes Werkzeug dazu. Ein Wellenklemmring der die Welle auf der der Kickhebel sitzt in Position hält ist zu locker, deshalb kann er sich lösen und die Welle kann ein paar Millimeter nach innen rutschen, wodurch die Rückstellfeder rausspringen kann. Ne Zange wärs also.
Richtig frustrierend ist aber gewesen, dass der Motor so gar kein Lebenszeichen von sich gab, nicht mal ein kurzes Anlaufen. Und nach ein paar Versuchen musste ich immer wieder die Rückstellfeder neu einbauen. Meine Laune näherte sich also immer mehr einem Tiefpunkt. Als sich dann ein Auto durch die enge Marktstraße quetschen musste und dabei das Hinterteil meines Rollers an dem das Nummernschild befestigt ist über die ganze Beifahrerseite zog hat das meine Stimmung auch nicht grade gebessert. Die Frau hat nicht mal angehalten sondern ist weiter gefahren. Dafür hat sie jetzt nen weiteren Kratzer im Lack. Dem Roller ist zum Glück nichts passiert. Nach dem ich also zum sechsten Mal die Feder neu gespannt habe und sich immer noch nichts getan hat war ich mit den Nerven schon ziemlich am Ende. Am allermeisten jedoch hat mich einer der Marktverkäufer aufgeregt. Ich weis nicht genau was er verkauft hat, nur dass es einen Euro kostet. Er schrie alle 20 Sekunden „Blablablablabla un Euro, un Euro!“. Aber wie er es schrie… die Lautstärke war nicht das Problem, eher die Ton- und Stimmlage. Schwer zu beschreiben. Es hörte sich so an als könne er einfach nicht fassen, dass die Leute sein Produkt nicht kaufen, obwohl es nur einen Euro kostet. Dieser vorwurfsvolle Tonfall…“Un Euro, un Euro“ Ja, vorwurfsvoll beschreibts wohl am besten. Als würde es seine arme Seele nicht verkraften, dass er gezwungen ist nur einen lächerlichen Euro dafür zu nehmen und es tatsächlich Leute gibt dies trotzdem nicht kaufen… „Un Euro, un Euro“ Immer wieder und immer wieder. Als würde er die Welt nicht mehr verstehen. „Un Euro, un Euro“ UND ICH KÄMPF HIER UM DAS LEBEN MEINES ROLLERS!!! Viel hat nicht mehr gefehlt und ich wär zu ihm hin, hätt ihm 10 Euro hingeknallt und um 10 Minuten Ruhe gebeten.

Ich war wirklich kurz vorm Aufgeben. Dachte schon das wars jetzt hier für den Roller. Hier werden sich unsere Wege trennen. Hab schon mit dem Gedanken gespielt den ADAC anzurufen, bin ja in ganz Europa abgesichert. Aber einmal wollt ichs noch versuchen, ein letztes Mal. Dann kam mir irgendwie die Erleuchtung, dass ja das Taschenmesser das mir mein Bruder zu Weihnachten geschenkt hat ein Zange hat. Keine Ahnung warum ich da nicht früher drauf gekommen bin. Also das Taschenmesser im Rucksack gesucht, natürlich mit pechschwarzen und verdreckten Händen, und mit der Zange den Klemmring enger gemacht. Und siehe da, es funktioniert wieder tadellos, die Feder springt nicht mehr raus.
Dann hab ich es tatsächlich irgendwann nach über einer Stunde geschafft den Roller zum laufen zu bringen. Das Gefühl war überwältigend, ich versuch gar nicht erst es zu beschreiben. Also rauf auf den Roller und ab zur Grenze gefahren. Da aber ne sehr lange Schlange von Autos und Rollern an der Grenze standen, beschloss ich den Roller in Spanien abzustellen und zu Fuß rüber zu gehen. Bin dann noch schnell zu Mc Donalds zum Händewaschen (und frühstücken).
Zu Fuß war ich dann auch schnell über die Grenze. Nur am Flugfeld musste ich warten, es startete gerade ein Flieger.
wpid-IMG_2648.JPG
Konnte auch ein interessantes Wetterphänomen beobachten, Gibraltar hat nämlich teilweise ein eigenes Mikroklima. Wenn der Ostwind auf den Felsen trifft bilden sich Wolken die Gibraltar dann einhüllen. Überall sonst war keine Wolke zu sehen, nur hier in Gibraltar wars bewölkt.
Als das Flugfeld dann wieder frei war ist was passiert von dem ich fast sicher bin, dass ich der erste Mensch bin dem so etwas passiert ist: Ich wurde nämlich auf einer Startbahn von der noch vor 2 Minuten ein Flieger abhob von zwei Gibraltarern eingeladen den National Day mit ihnen zu feiern und bei ihnen zu schlafen. Das ganze Gespräch verlief in etwa so:

„Hey Mate, welcome to Gibraltar. You chose the perfect day to visit, it’s National Day“
„Thanks. Do you guys live here?“
„Born and raised. But my girlfriend here is from Kissling, that’s near Munich in Germany.“
„Cool, I’m from Munich,too“
„Do you have a reservation for the Hostel in Gibraltar?“
„Not yet.“
„Yeah, they will be full today because of the National Day. But you can sleep at our place if you like“
„Yes, I’d love that. Thanks“
Also sind wir zu Jules‘ und Jasmins Wohnung gegangen, wobei ich es etwas schwerer hatte durch die Menschenmassen mit meinem Rucksack zu kommen.
wpid-IMG_2650.JPG
Alles war schön in Weiß und Rot, den Nationalfarben Gibraltars.
Die Wohnung war eigentlich nur ein Studio, aber zum Schlafen reichts. Also die Isomatte aufgeblasen und Rucksack abgestellt. Dann gab’s erst mal Wein und Bier und gegen 15 Uhr sind wir in die Stadt gegangen. War eine sehr schöne Atmosphere die ganze Stadt war am Feiern, alle Altersstufen und alle sozialen Schichten. Wir sind im Prinzip von Bar zu Bar gezogen. Da mein Gastgeber Jules scheinbar alle Leute hier kennt, sind wir auch zu einer Bootparty eingeladen worden. Ich hab schon mit allem gerechnet, ne fette Yacht wo nur Champagner getrunken wird zum Beispiel. Hat sich dann aber herausgestellt, dass seine Freunde etwas übertrieben haben, es war mehr eine Party am Pier und wir sind dann auch bald darauf wieder in die Stadt zurück gegangen.
wpid-20130910_153730.jpg
Als nächstes sind wir in einen Open Air Club „Rock on the Rock“. War sehr gute Livemusik, nur Abends wurde dann mehr Elekto gespielt.
wpid-20130910_210632.jpg
Anschließend sind wir nochmal auf den Hauptplatz gegangen und haben uns da die Bands angehört.
Auch alle sehr gut. Jules und Jasmin sind dann gegen 23 Uhr heimgegangen weil sie morgen arbeiten mussten. Sie haben aber Evan, der auch bei ihnen pennt und mir den Schlüssel dagelassen, da wir noch etwas bleiben wollten. wpid-20130910_235424.jpg

Dann gabs nochmal nen Gänsehautmoment: Als beim Cover von Zombie der Sänger ein paar Worte zur britischen Haltung im Syrienkonflikt gesprochen hat und der ganze Platz dann skandiert hat „No more war! No more war!“

Gegen 1 Uhr sind Evan und ich dann auch nachhause.
Eigentlich erstaunlich wie sich der Tag entwickelt hat, wo ich doch nur ein paar Postkarten einwerfen wollte. Da zeigt sich mal wieder, dass es stimmt: Auf Reisen ist keinen Plan zu haben der beste Plan.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.