Heute hab ich bedeutend besser geschlafen als gestern. Hab vor dem schlafen gehen auch noch Tabletten für meinen Magen genommen und jetzt ists schon deutlich besser. Also um kurz vor 10 mein letztes Frühstück in Marrakesch eingenommen, zusammen mit Dan. Der hat sich danach dann auch auf den Weg gemacht einen nahegelegenen Berg zu besteigen und so hab ich den Tag damit zugebracht ein bisschen über meine bisherige Reise zu reflektieren, zu bloggen, am Pool zu liegen und zu lesen. Nachmittags bin ich nochmal raus und hab mir mein vorerst letztes Charwarma geholt, die wie ich finde bessere Version des Döners. Um 19 Uhr hab ich mich dann auf den Weg zum Bahnhof gemacht. Davor nochmal ein paar Kleinigkeiten für die Fahrt eingekauft. War ja schon etwas gespannt ob ich eine Stunde vor Abfahrt des Zugs überhaupt noch ne Karte krieg. War aber kein Problem, 205 Dirham für die Fahrt nnach Tanger. Ein Bett im Viererabteil hätte nochmal 250 Dirham extra gekostet, die wollt ich mir sparen. Hab im Bahnhof dann nochmal zwei Deutsche getroffen die auch nach Tanger fahren und wir haben uns dann zwei vierer Sitzgruppen geschnappt und ein bisschen über unsere jeweiligen Marokko Erfahrungen geplaudert. Da kam auch die Frage auf was denn mein bisheriges Reise-Highlight war. Sehr schwierige Frage, da musste ich lange überlegen. Aber ich glaube es war der Tag an dem ich zum Naional Day in Gibraltar eingeladen wurde. Eigentlich hatte ich viele Highlights. Als Tiefpunkt muss ich wohl den Kulturschock an den ersten Tagen in Marokko nennen. Aber der ist inzwischen zu 100% überwunden.
Jetzt ist’s also grade 23:30 Uhr und meine letzten Stunden in Marokko dürften angebrochen sein, es sei denn ich bleib unerwarteterweise noch länger in Tanger. Wird also Zeit für ein kleines Resümee über Marokko. Was jetzt kommt ist also nicht wie üblich eine stringente Zusammenfassung meines Tages sondern eher das Kondensat meiner momentanen Gedanken und daher unter Umständen etwas ungeordnet und konfus. Für die Jauch-Millionen-Frage: Diesen Schreibstil nennt man „Stream of consciousness“. Here we go.
Marokko hat mich überrascht. Es war teilweise ganz anders als ich es mir vorgestellt habe. Sowohl landschaftlich als auch kulturell. Wenn man sich erst mal zurecht gefunden und alle Vorurteile über Bord geworfen hat ist es sehr einfach zu bereisendes Land. Man muss halt mit den etwas aufdringlicheren Zeitgenossen entsprechend umzugehen wissen. Aber das lernt man recht schnell. Und wenn nicht gilt auch hier: Schaden mancht klug.
Was ich etwas vermissen werde ist wohl der Aufruf zum Gebet (der arabische Name ist mir grad entfallen) der von den Muhezinen von den Minaretten gerufen wird. Verstärkt durch low-quality Lautsprecher. Wann immer dieser Ruf ertönt hält man automatisch etwas inne und schaltet einen Gang zurück. Egal ob man grad auf der Liege liegt oder in der Stadt unterwegs ist. Auch die Vielfalt wie der Ruf vorgetragen wird ist beeindruckend. Bei manchen hat man das Gefühl die lesen einfach nur ab und andere Singen und Jubilieren den Ruf mit purer Leidenschaft. Was ich nicht vermissen werde: Den ersten Ruf des Tages der mich zwischen 5 und 6 regelmäßig aus dem Schlaf reißt.
Angenehm war natürlich auch das Preisniveau, wenn man die offensichtlichen Touristenabzocken meidet. Ich bilde mir ein recht bald nach meiner Ankunft ungefähr gewusst zu haben was eine Sache oder Dienstleistung denn hier kosten sollte. Damit sind wir natürlich auch gleich beim handeln und feilschen. Kennt man bei uns in Europa eher nicht, von daher dauerts natürlich etwas bis man sich damit zurecht findet. Aber hat man den Bogen erst mal raus ist’s wirklich ein tolles Gefühl wenn man meint man hätte dem Händler ein Schnippchen geschlagen (was man natürlich nicht hat, denn ohne ordentlichen Gewinn für sich würde der nicht verkaufen. Vermutlich der Grund dafür warum ich meine Hüfttasche nicht für meine 50 Dirham gekriegt habe, bei keinem bei dem ich’s versucht hab). All die schönen Tipps aus Reiseführern und dem Internet zum Preis aushandeln kann man dabei allerdings getrost vergessen, das lernt man nur wenn man raus geht und es einfach versucht. Hilfreich für mich war da auf jeden Fall dem Spektakel beizuwohnen wie Othoniel der Teppich in Chefchaouen verkauft wurde. Ich hab schon ein paar Bücher über Psychologie, Manipulation und Verhandlungen im allgemeinen gelesen, und was der Verkäufer da abgezogen hat war wirklich wie aus dem Lehrbuch. Er hat den Teppich ja letztendlich auch verkauft, obwohl Othoniel ihn anfangs weder wollte, noch brauchte, noch genug Platz im Koffer hatte um ihn überhaupt mit zu nehmen.
Wo wir schon bei Kritik an Reiseführern sind. Was mir hier in Marokko extrem aufgefallen ist, ist das wahnsinnig viele junge Leute nur mit dem Lonely Planet in der Hand durch die Gegend laufen (das mein ich wörtlich) und sich eins zu eins nur an die vorgegebenen Routen und Tipps und Infos halten. „Im Lonely Planet steht…“ , „Der Lonely Planet sagt…“ , „Laut Lonely Planet sollten wir…“ und so weiter. Und dann stehen sie vor den tollsten „Geheimtipps“ und wundern sich, dass sie kein schönes Foto hinkriegen weil immer wieder Leute mit nem Lonely Planet in der Hand ins Bild laufen. Da kann ich nur den Kopf schütteln. Ich muss zugeben ich hab mir Teile des Lonely Planet Marokko vorher durchgelesen und vor allem was da zum Thema Gesund bleiben und Verhaltensregeln stand hat sich schnell als Nonsense erwiesen. Ging so weit, dass ich im Hostel in Tanger ne Unterhaltung zweier Reisender (Deutsche) mit der Rezeptionistin mitbekommen hab, in der die unbedingt den Weg zu einem Supermarkt wissen mussten weil sie sich Tiefkühlpizzen (importiert aus Europa natürlich) kaufen mussten, denn alles was es hier sonst zu essen gibt ist praktisch von Bakterien und Viren so sehr durchsetzt, dass man wenn mans isst sofort tot umfällt. Dann haben sie der Rezeptionistin vorgehalten wie schlecht doch die hygienischen Umstände in ihrem Land sind und so weiter („Leitungswasser kann man hier sowieso nicht mal zum Zähneputzen verwenden“). Mann o Mann. Steht zwar so nicht eins zu eins im Lonely Planet (den sie, kein Scherz, während des Gesprächs in der Hand hatten) aber wenn man selbst noch etwas paranoid ist kann man sich solche Stories schon zusammen reimen. Also lieber Hirn einschalten und sich vor Ort nach den interessanten Sehenswürdigkeiten und Highlights umhören, denn die stehen oft eh nicht im Lonely Planet (Siehe die Bar in Essaouira). Der Fairness halber muss ich wohl zugeben, dass ich auch eine Lonely Planet auf meinem Smartphone habe, ich benutzte ihn aber eigentlich nur für grobe Überblicke über Gegenden die als nächste Reiseziele eventuell in Frage kämen.
Nächstes Thema… hm…was ich ein bisschen schade fand war, dass ich wirklich keinen (Falsch, einem gab es in Chefchaouen der uns ohne Geld dafür zu wollen den Weg zu unserem Hostel gezeigt hat) Marokkaner getroffen hab dem es bei einer Interaktion nicht einzig und allein um mein Geld ging. Auch Mohammed den wir bei unserer Wanderung den Fluß entlang in Chefchaouen kennengelernt haben und der anfangs als echt netter und ehrlicher Typ rüber kam wollte letztlich nur unser Geld. Er hat ja für uns die Wüstentour organisiert und da war dann auch echt alles drauf ausgelegt uns extra Geld aus der Tasche zu ziehen. Beispiel? Wie sich’s für nen Trip in die Wüste gehört ist natürlich ein Turban die Kopfbedeckung der Wahl. Das hat er meinen 4 Begleitern auch glaubhaft eingeredet (Ich war mit meinem Käppi vollauf zufrieden) und ihnen dann natürlich auch jedem einen Truban besorgt. Im Prinzip ist das ja nichts anderes als ein zwei Meter langer, dünner Schaal. Das ganze sollte dann 100 Dirham (selbstverständlich pro Stück) kosten und wurde auch bereitwillig gezahl. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mehr als 10 Dirham für einen gezahlt hat. Naja, ist halt hier so. Man wird als Geldautomat betrachtet.
Was noch? Hab gelernt, dass Männer sich in einem Café niemals gegenüber sitzen sondern immer nebeneinander. Das wirkt sonst „zu romantisch“. Um beim Thema zu bleiben: Homosexualität ist in Marokko per Gesetz verboten. Das macht es natürlich extra interessant mit 4 schwulen Amerikanern (die das nicht versteckt haben) durch das Land zu reisen. Das einzige was passiert ist, ist das ihnen ab und zu nachgepfiffen wurde, aber ich bin mir nicht absolut sicher ob verächtlich oder nicht doch manchmal ernst gemeint. Jedenfalls haben sie mir berichtet, dass es in Marrakesch überhaupt kein Problem war eine Schwulenbar zu finden und dass auch sonst wohl mehr Marokkaner schwul sind als man meinen möchte. Es wird nur nicht so offen gezeigt.
Passend dazu: Ich habe nur mit einer einzigen Marokkanerin richtig reden können und die war Kellnerin in der Bar vom Hostel in Marrakesch. Ansonsten war’s praktisch unmöglich mit einer Marokkanerin Kontakt auf zu nehmen, auf den Straßen waren zu 95% Männer zu sehen. Hier sind die Geschlechterrollen doch noch sehr strikt verteilt.
Hm, was fällt mir noch ein? Jetzt ist’s grad 1:38 Uhr. Ich bin jetzt schon gute drei Monate unterwegs. Bin aber noch nicht wirklich weit gekommen. 3 Länder. Und mit Spanien bin ich noch nicht mal durch. Ich hab so das Gefühl, dass es wohl nichts wird mit einem Jahr. Das wird länger dauern. Sich auf ein neues Land in deutlich weniger als einem Monat einzulassen stell ich mir auch schwierig vor. Inzwischen kann ich mir auch recht gut vorstellen unterwegs zu arbeiten um meine Reise zu verlängern. Das Hostel in Marrakesch beispielsweise wäre, genau wie das in Madrid, eines gewesen wo ich gern für ne Zeit gearbeitet hätte. Aber auch andere Jobs könnt ich mir vorstellen. Ich lass mich einfach mal überraschen. Ja, die Vorstellung dass jetzt schon ein Viertel rum sein soll, damit kann ich mich grad gar nicht anfreunden…
Themawechsel. Ich hoff wirklich, dass mein Roller noch da steht wo ich ihn geparkt hab. Hab vor ner Woche dem Hostel vor dem er steht mal ne Mail geschrieben ob er denn noch da ist. Ne Antwort hab ich nie erhalten. Die Spannung steigt. Jetzt geht’s auf 2 Uhr zu und vor mir hat jemand übers Handy laute arabische Musik laufen. Find ich in nem Nachtzug an sich ja schon schlimm. Aber mit arabischer Musik kann ich persönlich überhaupt nichts anfangen. Alle weiblichen Stimmen sind seltsam elektronisch verzerrt und hören sich in meinen Ohren einfach unerträglich an. Arabisch an sich geht, aber weibliche Gesangsstimm inzwischen en, ne. Mein Viererabteil hab ich auch nicht mehr für mich allein. Müde bin ich inzwischen auch schon ziemlich, wird wohl Zeit sich über ne halbwegs bequeme Schlafposition Gedanken zu machen. Gar nicht so leicht.
Ich könnt mir auf jeden Fall vorstellen nochmal nach Marokko zu kommen. Hier gibt’s noch viel zu entdecken.
Bye bye Marokko
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