Boiling Lake

Um halb acht ging’s heute ans frühstücken. Die Kombüse gibt auch Rühr- und Spiegeleier her. Gut gestärkt haben wir uns gegen neun ins Dinghy gesetzt und sind die zehn Meter an Land gefahren. Der Plan für heute war eine Wanderung zum Boiling Lake, verschiedenen Reiseführern nach zu urteilen einer der schönsten und mit Sicherheit der anspruchsvollste Hike auf Dominica. Überall wird man darauf hingewiesen sich auf jeden Fall einen Guide zu nehmen, denn alleine diese Wanderung zu unternehmen sei offenbar unmöglich. Nun, einen Guide hab ich noch nie gebraucht und die sicherlich über 100$ wollten wir uns auch lieber sparen.
Doch zuerst mal mussten wir nach Laudat kommen, denn von dort hat man Zugang zum Morne Trois Pitons National Park wo der Wanderweg seinen Anfang nimmt. Das Problem dabei ist, dass heute Sonntag ist und damit keine Busse fahren. Wir haben aber gleich nachdem wir auf die Straße gegangen sind einen Taxifahrer getroffen der uns für nur 50 US$ hinfahren wollte. Nein danke. Also sind wir weiter in die Hauptstadt Roseau gelaufen bis wir nach etwa zwanzig Minuten an der Straße ankamen die ins Roseau Tal führt und in 10 Kilometern in Laudat auf einem Bergrücken endet. Wir hatten vor einfach per Anhalter hoch zu kommen. Das hat zu meiner großen Überraschung auch extrem gut funktioniert. Obwohl praktisch kein Verkehr war, hat schon nach 5 Minuten eine LKW angehalten der uns auf seier Ladefläche gute die Hälfte des Weges mitnehmen konnte. Die selbe Idee hatten auch drei Franzosen, weshalb wir zu fünft auf der Ladefläche saßen. Bequem wars nicht gerade und die Federung des Wagens war auch im Eimer wie ich an einem Speed Bump schmerzhaft feststellen musste. Aber besser schlecht gefahren als gut gelaufen.

image

Wir wussten nicht so ganz genau wo uns denn die Bauarbeiter abgesetzt hatten und wie weit wir noch von Laudat entfernt waren. Aber Reinhard und ich sind einfach mal losgelaufen, auch wenn die Straße eine recht gute Steigerung hatte.

image

Nach etwa fünf Minuten konnten wir dann einen Pick-up Truck anhalten und auf dessen deutlich kleinerer Ladefläche mit nach Laudat fahren. Die Franzosen, die nicht hochgelaufen sind sondern an der Straße gewartet haben waren auch mit drin, zusammen mit zwei einheimischen. Es war also entsprechend Eng. Angst deswegen von der Polizei angehalten zu werden mussten wir übrigens nicht haben, denn der Pick-up war ein Polizeifahrzeug. Auf unserer Fahrt hoch nach Laudat haben wir auch schon einen ersten Vorgeschmack auf den Regenwald in den uns die Wanderung führen sollte gekriegt: Es hat angefangen zu regnen. An der Endstation haben wir uns erst mal untergestellt und die Regenjacken angezogen. Und dann ging’s eben im Regen los. Nach etwa 500 Metern haben wir die Titou Schlucht erreicht, die wir aber vorerst links liegen gelassen haben, die wollten wir uns beim zurückkommen genauer anschauen. Dort sind wir übrigens nochmal auf ein paae Guides gestoßen die uns nochmal klar machen wollten, dass wir uns zu hundert Prozent verlaufen wenn wir ohne Guide losgehen.
Ohne Guide ging’s dann los. Der Weg wurde jetzt zu einem richtigen Pfad der sich durch den Regenwald windet, links und rechts üppiger Pflanzenwuchs. Das ganze stetig bergauf, deshalb waren im Boden Holzstufen angebracht um den Anstieg zu erleichtern. Für mich waren die aber irgendwie in einem blöden Abstand angebracht, so dass ich nicht so schön durchlaufen konnte wie ich das gern gewollt hätte. Noch dazu musste man aufpassen, denn die Holzbalken waren durch den vielen Regen teilweise sehr rutschig. Was mir noch aufgefallen ist: hier scheint es einen Vogel zu geben der ein extrem eigenartiges Pfeifen hat. Das lässt sich sehr gut beschreiben als eine altes, rostiges Gartentor das vom Wind hin und her bewegt wird und dabei dieses typische Quietschen von sich gibt. Nach ein paar Stunden ging das ziemlich auf die Nerven…

image

Soweit hatte man noch nicht wirklich eine Gelegenheit sich zu verlaufen. Immer die Stufen hoch und runter. Ab und zu ging’s auch über kleinere Bäche, die man aber fast immer trockenen Fußes überqueren konnte.

image

image

Reinhard und ich haben uns in der Zwischenzeit getrennt, durch meine ständige Foto Knipserei und Landschaftsbewunderung bin ich einfach nen Gang langsamer. Also ging’s für mich alleine weiter.
Man kam mit der Zeit immer höher rauf, was natürlich auch für spektakuläre Ausblicke sorgte. Der Regen hat inzwischen zum Glück auch aufgehört, so dass man eine atemberaubende Aussicht auf die mit Regenwald überzogenen Berge und Täler hatte.

image

image

image

Nach guten vier Kilometern war dann der höchste Punkt der Strecke erreicht. Das GPS zeigt knapp 1000 Höhenmeter an. Fazit soweit: kein Pappenstiel. Stufen hoch und Stufen runter. Aber sehr gut soweit. Auch noch keine Möglichkeit gehabt sich zu verlaufen.
Auf dem Gipfelplateau hatte man dann auch ne recht gute Rundumsicht, der ideale Ort für eine Halbzeitpause.

image

image

Sogar den Boiling Lake konnte man anhand seiner Dampffahne orten.

image

Doch bis dahin wars noch ein weiter Weg. Ein Weg der jetzt erst mal einem Berggrat folgte und sich anschließend ins Valley of Desolation, das Tal der Ödniss, hinunter schlängelte. Die Höhen die die Stufen inzwischen überwunden wurden zunehmend größer, teilweise war klettern angesagt. Man erreicht dann ein Rinnsal welches man überqueren muss und findet sich kurz darauf in einer absolut unwirtlichen Umgebung wieder. Keine Pflanzen mehr, nur Matsch und Steine. Und Schwefel, der auch sehr deutlich mit der Nase wahrnehmbar ist. An Geräuschen hört man jetzt nur noch ein blubbern uns zischen und der Dampf der aus dem Boden aufsteigt vernebelt einem, gerade als Brillenträger, gehörig die Sicht.

image

Da kommt man runter

image

Wie ich beim Rückweg festgestellt habe hab ich hier den Pfad verlassen. Die Neugier hat mich natürlich auf das Feld mit den dampfenden Quellen gezogen. Mein Weg war teilweise sehr steinig und ich musste ein paar mal nen anderen Weg einschlagen um Bächen und Quellen auszuweichen und das Ende des Tals zu erreichen. Denn obwohl ich nicht mehr auf dem Weg war, war klar, dass es nur in diese Richtung gehen konnte. Die Bäche die hier so durch dieses Feld fließen sind übrigens tatsächlich heiß. Näher als auf einen Zentimeter wollt ich mit meiner Hand da nicht rankommen, es war einfach zu heiß. Auch meinen Wanderstiefeln wollt ich das nicht antun, daher meine gelegentlichen Umwege auf dem Weg zum Talausgang. Ein bisschen ein mulmiges Gefühl hatte ich aber um ehrlich zu sein schon, hätt ja sein können, dass da plötzlich vor mir (oder unter mir) so ein Geysir losbricht. Aber es ist alles gutgegangen. Am unteren Ende des Valley of Desolation angekommen war ich mir wieder sehr sicher auf dem richtigen Weg zu sein. Hier musste ich jetzt eine ganze Weile all dem Wasser folgen das aus dem Valley so herausfließt.

image

image

Blick zurück ins Valley of Desolation

Das sehr mineralhaltige Wasser das hier fließt hat auf den Steinen an manchen Stellen eine weiße Ablagerung hinterlassen die ich dafür nutzte mich hier zu verewigen. Nun verewigen ist wohl ein schlecht gewählter Begriff, ich bin mir sicher, dass man das schon morgen nicht mehr sehen können wird. Geschrieben hab ich übrigens mit meinem Zeigefinger, hier war das Wasser inzwischen soweit abgekühlt, dass ich die Buchstaben Strich für Strich setzen konnte.

image

Eine weitere Überraschung die ich entdeckt habe: ein kleines Rinnsal mir pechschwarzem Wasser. So was hab ich auch noch nie gesehen. Und das war Wasser, kein Öl.

image

Irgendwann gingen dann nach links wieder ein paar Stufen steil nach oben. Wolken haben sich inzwischen alle aufgelöst und es war richtig heiß. Dazu die extreme Luftfeuchtigkeit, das macht die ganze Sache schon sehr anstrengend. Obwohl ich ja eigentlich doch recht häufig auch längere Touren gehe muss ich sagen, dass ich hier inzwischen echt zu kämpfen hatte. Aber die Umgebung entschädigt für die Strapazen. Nach einigen hundert Stufen hoch und runter, mehr hoch als runter um genau zu sein, öffnete sich das nächste große kahle Gebiet. Sah aus als wäre da ein gutes Stück vom Berg abgerutscht.

image

Über dieses Geröllfeld hinweg war der Weg auch wieder ganz gut zu sehen. Dann kam ich wieder an einen etwas größeren Bach, der führte wieder heißes und dampfendes Wasser. Für einen Moment war ich unschlüssig ob ich dem nach unten folgen soll oder ob ich ihm nach oben folgen soll. Denn gegenüber war nur eine Felswand. Ein Blick zum Himmel hat mir dann aber gesagt, dass ich wohl nach oben muss, denn am Himmel sah ich weiter oben sehr viel Dampf aufsteigen, was mich auf den Boiling Lake schließen ließ.
Also bin ich dem Fluß im Flussbett nach oben gefolgt.

image

Wie sich bei meinem Rückweg herausstellte bin ich hier das zweite mal vom Weg abgekommen. Tatsächlich hätte ich den Fluß queren müssen, ein kurzes Stück den Felsen hochklettern, und dann wäre ich auf dem Wanderpfad gewesen der recht einfach bergauf führte. Ich hab mich jedoch unfreiwillig für die „etwas“ härtere Variante entschieden.
Schwierigkeit 1: fast kochendes Wasser, da möchte ich nicht mit den Schuhen reintreten oder gar reinfallen.
Schwierigkeit 2: der aufsteigende Dampf hat mir mit meiner Brille ordentlich die Sicht genommen.
Schwierigkeit 3: kein festgetretener Pfad vorhanden, ich musste mir meinen Weg suchen und von Stein zu Stein hüpfen.
Schwierigkeit 4: viele der Steine waren lose und/oder glitschig.
Alles in allem bin ich da etwa hundert Meter hoch. Extrem anstrengend, jeder Schritt musste vorher geplant und dann präzise ausgeführt werden. Auf halbem Weg nach oben hab ich mir schon gedacht, dass das nicht der richtige Weg sein kann, denn selbst mit Guide hätte das die Mehrzahl der paar Leute die ich unterwegs getroffen hab da nicht hochgeschafft. Es hätte wohl auch kein Guide das Risiko auf sich genommen, dass hier einer seiner Schützlinge stürzt und sich entsprechend verletzt.
Wie gesagt, nach einer ordentlich anstrengenden Kletterei das Flussbett rauf bin ich dann wieder auf den richtigen Weg gestoßen. Von da an wars ein Kinderspiel. Noch etwa dreihundert Meter über halbwegs flaches Gelände und ich war am Ziel.

image

Am Boiling Lake hat Reinhard schon sehnsüchtig auf mich gewartet, denn ich hab die Verpflegung im Rucksack gehabt. Und ich brauchte jetzt auch dringend eine Pause, denn ich merkte, dass ich inzwischen nahe an die Grenzen meiner physischen Belastbarkeit gelangt bin.
Also Pause gemacht und den Boiling Lake bewundert. Ein Krater von etwa 80 Meter Durchmesser an dessen Rand wir etwa zehn Meter über dem See saßen. Der See selbst hatte eine graue Färbung und war praktisch ständig in eine Dampfwolke gehüllt, was das Fotografieren schwierig machte. In der Mitte des Sees stieg kochendes Wasser auf und sorgte für Dampfnachschub. Ein beeindruckendes Spektakel.

image

image

Bis hier her bin ich fünfeinhalb Kilometer gelaufen, das ganze in einer Zeit von knapp zweieinhalb Stunden. Nach einer viertel Stunde Pause ging es dann auf den Rückweg. Diesmal durchweg auf den richtigen Pfaden. Wieder all den Weg zurück. Ich muss sagen, ich war ziemlich außer Puste. Hätte nicht gedacht, dass mich die eigentlich kurze Strecke so mitnimmt. Aber all die Stufen haben schon ordentlich geschlaucht.
Eine Gelegenheit zum entspannen hatten wir dann doch noch, kurz bevor wir das Valley of Desolation wieder hochgelaufen sind. Denn der kleine Fluß der aus dem Tal rausfließt formt hier an einer Stelle einen natürlichen Pool. Da wollten wir natürlich mal schauen ob man da nicht ein kleines Bad im heißen Quellwasser nehmen kann. Man kann. War nur mit etwas Kletterei verbunden in den Pool runter zu kommen. Da ich von der Wanderung ziemlich aufgeheizt war kam mir der Gedanke hier in heißem Wasser baden zu gehen erst mal etwas abwegig vor. Aber wenn man sich erst mal überwunden hat und ganz drin war war es echt angenehm. Sehr entspannend.

image

Nach dem abtrocknen und anziehen ging’s wieder weiter. Reinhard und ich haben uns unterwegs wieder getrennt. Und ich hatte echt zu kämpfen da diesen Berg am Ende des Valleys hochzuklettern. Und es hat einfach nicht aufgehört nach oben zu gehen. Es ist echt schon lange her, dass ich mich das letzte mal so geschunden hab. Irgendwann hab ich dann wieder den höchsten Punkt der Route erreicht, knappe 1000 Meter. Zeit für eine fünfminütige Pause. Vier Kilometer hatte ich ab dort noch vor mir. In dem Gelände wohl noch knappe zwei Stunden. Es war eine Qual. Mir ging’s zu dem Zeitpunkt echt nicht gut. Aber irgendwann ging’s dann wieder. Je weiter ich nach unten kam, desto besser liefs wieder. Als ich dann wieder am Begin des Wandertrails auf etwa 400 Meter angekommen war hab ich mich wieder komplett normal gefühlt. Wenn ich so drüber nachdenke, ich war ja etwas mehr als die letzten fünf Monate durchgehend auf Meereshöhe. Da dann plötzlich auf 1000 Meter duch die Gegend zu wandern bei Hitze und hundert Prozent Luftfeuchtigkeit ist vielleicht auch etwas sehr ambitioniert…
Am Ende/Anfang des Pfades hab ich Reinhard wieder getroffen. Da stand so eine kleine Hütte rum in der man sich hinsetzen konnte und eine Frau hat eiskaltes Bier aus der Kühlbox verkauft. Das Bier hab ich mir mehr als verdient. Kubuli, gebraut auf Dominica.

image

Gleich hier bei der Hütte war auch die Titou Schlucht, etwa 10 Meter tief und zwischen einem und drei Meter breit. Gesehen haben diese Schlucht wohl schon die meisten, ohne es richtig zu wissen. Denn hier wurde eine Szene aus dem zweiten Teil von Fluch der Karibik gedreht. Da mussten wir natürlich auch eine Runde schwimmen gehen. Das Wasser hier war angenehm kühl, genau das richtige um runter zu kühlen. Reinschwimmen konnten wir in die Schlucht auch, die Strömung war nicht all zu stark. Hat schon ein beeindruckendes Bild abgegeben, diese enge Schlucht, begrenzt von glatten Felswänden und wenn man nach oben sah hat man nur das Blätterdach des Regenwalds gesehen.
Nach dieser Abkühlung ging es nun darum eine Mitfahrgelegenheit zurück nach Roseau zu organisieren. Als wir grade aufbrechen wollten kam eine Gruppe von etwa 30 Deutschen an, Tagesausflug eines Kreuzfahrtschiffs. Da hab ich mal beim Oberaufseher gefragt ob die nicht noch zwei Plätze frei haben. Wir wurden dann von einem Fahrer zum nächsten geschickt, mit dem Ergebnis, dass die uns rechtlich nicht mitnehmen durften. Tja, kann man nichts machen. Also haben wir uns zu Fuß auf den Weg gemacht. Aber schon nach etwa einem Kilometer haben wir dann zwei Deutsche mit Mietwagen gesehen die in die selbe Richtung fuhren. Die haben uns dann freundlicherweise mit nach Roseau genommen. Wir hatten also echt Glück was unseren Transport heute anging. Das letzte Stück zum Boot sind wir gelaufen, aber das waren nur noch knappe zwei Kilometer. Wir sind gerade rechtzeitig angekommen um noch den Sonnenuntergang mit einem Bier an Deck zu genießen.
Auf großartig kochen hatte ich auch nicht mehr so wirklich Lust, deshalb gabs nur schnell ein paar Bohnen mit Zwiebeln und Knoblauch, dazu zwei kleingeschnittene Wiener und das ganze in Tomatensauce. War ganz gut. Den Abend haben wir noch damit beendet Oceans 13 zuende anzusehen.
Gegen halb elf hab ich mich dann in meine Kajüte verzogen und noch ein paar Stunden versucht Blogeinträge nachzuholen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.