In der Nacht wurde es ganz schön kühl in meiner Hängematte. Hätte ich nicht gedacht. Aber ich hab besser geschlafen als die nächste Nacht. Um fünf wurden wir von unserem Guide Pedro aufgeweckt. Wir könnten gestern noch recht geheim mit ihm ausmachen eine halbe Stunde früher aufzustehen und zur Lost City los zu laufen als die fünfzig anderen Leute. So würden wir die Lost City praktisch für uns alleine haben. Der Plan musste natürlich vor den Leuten der anderen Gruppen geheim gehalten werden. Frühstück war auch schon kurz nach fünf fertig während die anderen noch schliefen. Ist also alles nach Plan verlaufen. Das Frühstück war auch wieder gut, mit frischen Arepas, Käse, Früchten und Brot. Nach dem Frühstück haben wir noch unsere Rucksäcke in einer der Hütten eingesperrt, denn zur Lost City darf man keine mitnehmen. Wir sind also um 5:30 Uhr nur mit Wasserflasche, Kamera und Insekterepellent ausgerüstet losgezogen. Hell war es schon, und die ersten Spitzen der Berge waren schon im direkten Sonnenlicht, was einen absolut genialen Kontrast zu den Teilen die noch im Schatten lagen gab.
Nachdem wir einem Fluß für eine halbe Stunde gefolgt waren mussten wir diesen überqueren.
Das Wasser sah knietief aus, die Kamera hab ich in eine Plastiktüte gepackt, Hose hochgekrempelt, Schuhe in die eine, Wasserflasche in die andere Hand. Das Wasser war angenehm kühl und hat die letzte Morgenmüdigkeit vertrieben. Als ich so halb auf der anderen Seite war bin ich auf einen wackeligen Stein unter Wasser getreten, hab das Gleichgewicht verloren konnte mich aber noch an einem Felsen festhalten und bin praktisch nicht nass geworden. Bei der Aktion ist mit aber meine Flasche aus der Hand gerutscht und hat sich im Fluß verabschiedet. Tja, so hatte ich wenigstens weniger zu schleppen.
Auf der anderen Seite des Flußes ging es nur noch ein kurzes Stück bis wir am Eingang zur Ciudad Perdida ankamen.
Die Treppe war nun die letzte Prüfung um die Ciudad Perdida zu erreichen. Gute 1000 Jahre alt, 300 Höhenmeter auf 1200 Stufen aus unregelmäßigen Steinbrocken.

Wow. Die Treppe hatte es in sich. Teilweise richtig steil, mit gelegentlichen Stufen auf denen man nur mit den Zehenspitzen stehen konnte, windet sie sich durch den Regenwald den Berg rauf. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen wie die 90 Jahe alten Schamanen die hier einmal im Jahr herkommen um den für die Kogui heiligen Ort von den negativen Energien der Touristen zu befreien diese Treppen hochkommen. Na gut, vielleicht verleihen ihnen die Kokablätter die sie den ganzen Tag über kauen ja die Kraft die man hierfür braucht.
Nach 1200 Stufen haben wir es also geschafft. Wir waren oben und von anderen Leuten keine Spur weit und breit. Alleine waren wir aber trotzdem nicht, wir hatten Gesellschaft in Form von der größten Menge Moskitos die ich je gesehen hab. Aber wir waren alle gut mit Moskitorepellent eingeschmiert, so dass sie uns nie zu nahe kamen. War trotzdem ein irgendwie beunruhiges Gefühl. Ist ja Malaria Gebiet.
Wir haben nun also die Ciudad Perdida betreten, am südlichsten Punkt, dem Markt. Da hier das Gelände sehr bergig ist haben die Teyuna Terrassen angelegt auf denen sie ihre Hütten errichtet haben. Die Hütten stehen heute nicht mehr, aber die Terrassen sind noch sehr gut erhalten. Zur zeitlichen Einordnung: die Teyuna bauten 300 Jahre an dieser Stadt, so ungefähr im 10. Jahrhundert haben sie angefangen. Um 1600 kamen die Spanier auf ihrer Suche nach Gold vorbei und haben die Teyuna angegriffen. Um die Sache etwas zu beschleunigen haben sie Leute die europäische Krankheiten hatten in die Stadt getrieben. Dagegen waren die Schamanen der Teyuna machtlos und innerhalb kürzester Zeit starben 80% der 5000 Menschen die hier einst lebten. Der Rest flüchtete weiter in den Dschungel und von diesen Überlebenden stammen die Kogui ab die heute in der Region leben. Die Spanier hatten die Stadt also erobert und geplündert und der Regenwald verschluckte die Ruinen im laufe der Zeit. 1973 stießen schließlich Grabräuber auf die Ruinen und plünderten einige der Gräber ehe 1976 die Fundstelle der Stadt öffentlich bekannt wurde. Archäologen legten die Stadt zum größten Teil frei und ab 1993 war sie öffentlich zugänglich, allerdings noch ohne die Touren wie es sie heute gibt.
Da standen wir nun also, waren die einzigen und hatten die ganze Anlage für uns. Das macht nochmal nen enormen Unterschied finde ich. Wären wir da inmitten von fünfzig anderen Leuten gestanden die rumquatschen und im Weg stehen hätte der Ort einen Großteil seiner Magie verloren.


Über den Markt gingen wir weiter auf eine Treppe zu. Diese riesige Treppe führte nach oben, zu den Versammlungshütten und der Hütte des Mamo, des Medizinmanns. Er war die wichtigste Person der Teyuna was scheinbar auch dazu führte, dass er das Filet-Grundstück für sich beanspruchen konnte. Ein absolut bombastischer Ausblick der sich einfach nicht in Worte fassen lässt.

Noch immer waren wir die einigen hier, mit Ausnahme zweier Kogui die über das Gelände streiften und dem kolumbianischen Militär das hier ganz oben am Berg einen Stützpunkt hat um die Ciudad Perdida vor Grabräubern zu schützen. Man hörte also immer noch kein Gebrabbel der anderen Leute und konnte sich voll auf den Ort konzentrieren. Das einzige was man hörte waren ab und zu die Rufe eines Tucans. Wir haben sogar einen gesehen der aus einem Baum davon flog, mit langem gebogenen Schnabel in allen nur erdenklichen Farben. Ein wirklich schöner Vogel.
Als wir weiter nach oben stiegen kamen wir an einem großen Felsbrocken vorbei von dem uns Pedro sagte, wir sollen mal raten was der darstellt oder für was er gut ist. Mit dieser Aufgabe ließ er uns nun eine Weile alleine denn er musste unsere Gruppe bei der Verwaltung noch anmelden. Er hat uns noch den Tipp gegeben noch höher rauf zu steigen, von weiter oben sei es besser zu erkennen.

Die Aussicht war auch hier nicht zu verachten, ums mal vorsichtig zu formulieren. Ein schöner Ort zum nachdenken, auch über den komisch geformten Felsen. Und gerade von hier oben kann man doch mit etwas Fantasie erkennen was er darstellen soll.

Eine Kröte, eins der den Teyuna heiligen Tiere.
Als nächstes ging es weiter ins Wohn- und Arbeitsviertel. Hier war auch einer der Steinbrüche von denen die Teyuna die Steine für ihre Treppen und Straßen die ihre Städte untereinander verbanden gewannen. Muss eine unvorstellbare Arbeit gewesen sein diese Unmengen von Steinen rauszuhauen und an Ort und Stelle zu bringen. Aber we gesagt, 300 Jahre Bauzeit. Mal sehen ob Stuttgart 21, der Berliner Flughafen oder die Elbphilharmonie nach voraussichtlich ähnlich langer Bauzeit in 1000 Jahren auch noch so gut dastehen.
Von den Hütten die hier einst standen gab es auch zwei Rekonstruktionen. Sehen den Hütten der Kogui sehr ähnlich, bis hin zu den zwei Spitzen die die beiden höchsten Gipfel der Sierra Nevada de Santa Marta symbolisieren.


Der letzte Ort den wir besuchten war der heilige Swimmingpool in dem sich jeder der den Mamo um Rat fragen wollte zuerst reinigen musste. Schade, dass wir keine Badesachen dabei hatten, so eine kleine Abkühlung wäre jetzt echt gut gewesen.

Über verschlungene und moosbewachsene Treppen ging es zurück zum Ausgangspunkt. Wie wir später erfuhren geht man normalerweise nicht zum Pool, was die Beschaffenheit der Treppen erklärt. Einmal mehr hatten wir echt Glück mit der Wahl unseres Touranbieters, unserer kleinen Gruppengröße und dem extra frühen Aufstieg zur Ciudad Perdida. Falls also jemand mal in die glückliche Lage kommen sollte die Ciudad Perdida zu besuchen, kann ich nur Guias y Baquiqnos Tours empfehlen. Der Preis ist sowieso bei jedem Anbieter gleich (600000 Pesos).
Ein echtes Abenteuer war es dann nochmal die 1200 Stufen hinunter zu steigen. Ich möcht echt nicht wissen wie viele ernsthafte Unfälle es hierbei schon gegeben hat. Aber wir sind alle heil unten angekommen. Recht zügig ging es wieder rüber über den Fluß, diesmal ohne was zu verlieren, und zurück ins Camp in dem wir unsere Rucksäcke gelassen haben. Dort wartete auch schon ein ausgiebiges Mittagessen auf uns.
Zudem ist im Camp noch eine doch recht große Tarantel gesichtet worden. Die Moskitonetze sollen einen ja nicht nur vor Moskitos schützen.
Frisch gestärkt ging es weiter, nochmal 7 Kilometer bis zum dem Camp in dem wir gestern mittag gegessen hatten.

Dort angekommen waren wir alle recht geschafft nach diesem Tag und waren froh uns im Fluß neben dem Camp abkühlen zu können. Das Wasser war auch deutlich sauberer als gestern, lag wohl am Regen.
Zum Abendessen gab es Nudeln mit Tomatensauce, in Mengen. Pappsatt sind gegen acht Uhr auch alle langsam ins Bett verschwunden, denn morgen ging es wieder früh raus.
PM
TS